ZU EINER ANALYTIK DES SOLLENS


Carlos Cirne-Lima (UNISINOS)


In einem im Dezember 1999 veröffentlichten Artikel habe ich eine allgemeine Theorie des Sollens, d.h. die Grundlegung einer allgemeinen Ethik in ihren wichtigsten Zügen zu skizzieren versucht. Mein Ziel war es, eine kritische Fundierung der allgemeinen Ethik in ihrer Grundstruktur aus dem Geist und in der Tradition der dialektischen Philosophie vorzuschlagen. Es handelte sich dabei um ein Systemprojekt, das die dialektische Methode als Rückgrat hat, es ging um den Anschluss an eine philosophische Tradition, die das abendländlische Denken von Platon bis Hegel tiefgehend geprägt hat. Als aufsteigende Dialektik geht die dialektische Philosophie vom Vielen, d. h. von der Vielfalt der empirischen Dinge aus und schreitet zu den ersten Prinzipien, zum Einen und zur Zweiheit empor; als absteigende Dialektik geht sie von den ersten Prinzipien aus und kehrt zur Vielfalt der Dinge zurück, wobei sie die Verschiedenheit der in der wirklichen Welt existierenden Dinge aus dem ersten ursprünglichen Ei erklärt (ex-plicari, explicatio ab ovo). Diese ist die Dialektik von Plato, Plotinus und Proclus, im griechischen Altertum, von Augustinus und Johannes Scotus Eriugena, im christlichen Mittelalter, von Giordano Bruno und Nicolaus Cusanus, in der Renaissance, von Spinoza, Goethe, Fichte, Schelling und Hegel, in der Moderne. Dies ist die Philosophie, die über länger als vierundzwanzig Jahrhunderte so tiefgreifend die Geschichte unserer abendländischen Zivilization geprägt hat.
Gegen diese Philosophie, insbesondere gegen Hegels System, wurden schwerwiegende und überzeugende Einwände erhoben. Hegel selbst, auf dem Höhepunkt seines geistigen Schaffens stehend, hat auf feierliche und schwermütige Weise behauptet, dass die Philosophie immer zu spät kommt, um das zu sagen, was getan werden soll . Kann eine philosophische Selbstkritik noch schärfer sein als diese? Wenn die Philosophie prinzipiell immer zu spät kommt, wozu noch Philosophie? Wenige Jahre später hat Schelling in seinen Münchener Vorlesungen zur Geschichte der Gegenwart gezeigt, dass Hegels System die Kontingenz schrittweise aus sich selbst ausschliesst und somit echte Geschichtlichkeit, echte Freiheit und freie Auswahl und Verantwortung unmöglich macht. Kierkegaard hat dann noch eine Kritik hinzugefügt, die sich in der Geschichte des XX Jahrhunderts nicht bloss wahr, sondern auch folgenschwer erwiesen hat: Das dialektische System löst das Individuum auf und führt so zum politischen Totalitarismus; der Stalinismus ist ein Beleg hierfür. Als ob dies alles nicht genug wäre, kommen noch zu den eben genannten die Einwände gegen Hegels System die von Trendelenburg und in unserem Jahrhundert von Karl Popper und von der analytischen Philosophie erhoben worden sind: Der Widerspruch zerstört die Vernunft, er baut sie nicht auf. Wie kann dann der Widerspruch zum Motor eines Systems werden, das rational sein will? 
Im Anschluss an die neuplatonische Tradition schlage ich hier – wie in vielen vorhergehenden Arbeiten – eine neue Fassung des dialektischen Systems vor; genauer gesagt, ich schlage eine korrektive Transformation von Hegels System vor, das ja das letzte grosse System der dialektischen Tradition ist. Ich behalte dabei Hegels Projekt der Philosophie – das ihn ein Leben lang geleitet hat -, so wie er es in der Vorrede der Phänomenologie des Geistes formuliert hat: Die Substanz des Spinoza mit Kants freiem Ich zu versöhnen. Hegel hat einen gigantischen systematischen Entwurf ausgearbeitet – einen der grössten in der gesamten Geschichte der Philosophie -, aber er hatte, wie wir wissen, nicht Erfolg damit. Die zunächst einmal so einfach erscheinende Aufgabe erwies sich als ungeheuer schwierig, und Hegel konnte sie nicht lösen. Das von ihm vorgeschlagene System enthält ja auf explizite Weise Kontingenz, aber diese wird im Laufe der Argumentation mehr und mehr aufgelöst, um dann, wie im medizinischen Vorgang der Abstossung eines eingepflanzten Organs, aus dem System der Philosophie ausgeschlossen zu werden. Diese graduelle Auflösung der Kontingenz ist letzten Endes der Grund, warum Hegels System zu einem System der Notwendigkeit wird, wo Freiheit nur darin besteht, dass man jene Notwendigkeit wissend anerkennt und annimmt, die das ganze Universum durchdringt, und die somit auch unser Leben und unsere Geschichte bestimmt. In dem von Hegel vorgeschlagen System gibt es keinen Raum für Ethik, für das Sollen, für Freiheit in dem von Kant und von uns allen heute verstandenen Sinne dieser Worte. Hegel har dies ganz klar erkannt: Die Eule der Minerva beginnt erst mit der einbrechenden Dämmerung ihren Flug und die Philosophie kommt ohnehin immer zu spät, um zu sagen, wie die Welt sein soll. Hegel hat ja, wie Spoinoza es wollte, ein neuplatonisches System aufgebaut; Hegel hat ja Kontingenz und Freiheit in seine dialektische Philosophie hinein verarbeitet, es ist ihm aber nicht gelungen, die Freiheit im vollen Sinn, im Sinne Kants , im System zu behalten. Die innere Dynamik von Hegels Dialektik hat Freiheit letzten Endes aus dem System abgestossen. Somit ist aber die grosse Aufgabe, Spinozas Substanz mit Kants freiem Ich zu versöhnen, eine unvollendete Aufgabe geblieben; dies ist ein Problem, das noch nicht gelöst wurde, eine Frage, auf die noch keine befriedigende Antwort gegeben worden ist. Die grosse Tradition der Philosophie legt uns diese Aufgabe auf, und wir können sie nicht von uns abweisen; ich nehme sie darum bescheiden und vorsichtig auf, denn ich kenne ja die Risikofaktoren, die die Systeme von Spinoza, Schjelling, Hegel, Karl Marx und von so vielen anderen zum Zusammenbruch geführt haben. Ich teile nicht die Meinung jener Philosophen – und sie sind heute sehr zahlreich -, die angesichts der Schwierigkeit der Aufgabe nicht bloss die Systeme der grossen Denker des Deutschen Idealismus sondern auch das neuplatonische Projekt der Philosophie aufgeben; sie geben das Projekt der Philosophie als allumfassende Wissenschaft, die alle andere Wissenschaften in sich enthält, einfach auf, sie fühlen sich nicht mehr der Aufgabe verpflichtet, eine Philosophie zu erarbeiten, in der nicht bloss Spinozas Substanz sondern auch Freiheit und Ethik im vollen Sinn Platz haben. Die allermeisten Philosophen der Gegenwart, auch jene, die in der kontinentalen Tradition stehen, haben dieses Vorhaben aufgegeben und die Frage einfach zur Seite geschoben. Sie meinen wohl, diese Aufgabe verlange Unmögliches, dieses Vorhaben könne nie in die Tat umgesetzt werden, und deswegen kehren sie zur Philosophie Kants und zu seinen Dichotomien zurück; sie kehren zur scharfen Entgegensetzung zwischen a priori und a posteriori, zur transzendentalen Methode, zur Trennung zwischen theoretischer und praktischer Vernunft zurück. Auch die Diskursethik nimmt diese Position ein. Auch sie steht im Rahmen einer modernisierten Philosophie Kants und ist deshalb meines Erachtens nicht in der Lage, die Einwände wirklich zu entkräften, die Fichte, Schelling und Hegel gegen Kant erhoben haben. Alle kennen die Einwände, die von Schelling, Trendelenburg, Kirkergaard, Nietzsche, Heidegger und so vielen anderen erhoben worden sind, und die Hegels System zum Zusammenbruch geführt haben. Auch ich wurde mir vor sehr langen Zeit dessen bewusst; schon in meiner Studentenzeit wurde ich von meinen Lehrern klar und deutlich darauf aufmerksam gemacht. Ich habe die Systeme von Schelling und Hegel studiert, ich habe sie aber nie für wahr gehalten. Ich habe diese Systeme nicht für wahr gehalten, weil ich und alle andere wussten, dass sie schwere Fehler enthalten. Aber ich habe nie das Projekt der Philosophie aufgegeben, das Schelling und Hegel vorgeschwebt hat; ich habe nie die Aufgabe abgelehnt, Spizonas Substanz mit Kants freiem Ich zu versöhnen. Dies sind die Motive und die Erklärung dafür, dass ich immer wieder den Versuch unternehme, ein neuplatonisches System der Philosophie aufzubauen; so war es im Buch Dialética para Principiantes vom Jahre 1996, im Ethikartikel vom Dezember 1999 und ist es auch in dieser Arbeit. 
Ich nehme hier dieselben Zentralideen wieder auf, ich zeichne denselben Grundriss eines Systems und einer Ethik auf, mit dem einen Unterschied, dass ich hier vorwiegend die Methode und die Sprache der analytischen Philosophie benütze. Ich versuche, die Grundlinien einer allgemeinen Ethik, d. h. einer Analytik des Sollens Stück für Stück zu zeichnen. In einem ersten Teil fange ich mit einer metalogischen Analyse dessen an, was in jedem Diskurs immer schon vorausgesetzt wird, d.h. Identität, Differenz und Kohärenz; letztere ist nichts anderes als das Prinzip des zu vermeidenden Widerspruchs. In einem zweiten Teil versuche ich die im ersten Teil erarbeiteten metalogischen Prinzipien in die Sprache der Naturwissenschaften zu übersetzen und muss dann feststellen, dass eine sehr genaue Ensprechung zwischen Meta-Logik und Meta-Physik besteht. In einem dritten Teil zeichne ich die Grundrisse einer allgemeinen Ethik, die wie von selbst aus dem im zweiten Teil Erarbeiteten hervorgeht.

1. META-LOGIK

Als Anfang und Grundlage meiner Erörterungen nehme ich die tautologische Aussage A = A. Man könnte hier jede andere beliebige Tautologie nehmen wie B = B, oder Sokrates = Sokrates, Universum = Universum usw. Wichtig für das Argument ist die Tatsache, dass die Tautologie eine perfekte Tautologie ist, denn die perfekte Tautologie ist immer und notwendig eine wahre Aussage. Niemand hat das je in Frage gestellt, ja niemandem gelingt es, dies in Frage zu stellen. Das ist das erste Prinzip das ich aufstelle: Die in der tautologischen Aussage ausgedrückte Identität. Dies nenne ich das Prinzip der Identität.
Das so formulierte Identitätsprinzip ist immer wahr und setzt zwei in ihm implizit enthaltene Momente als notwendige Möglichkeitsbedingungen seiner selbst ebenfalls als wahr voraus: das Moment der einfachen Identität und das Moment der iterativen Identität. Die einfache Identität ist die des A, das immer schon vorausgesetzt wird; die iterative Identität wird vorausgesetzt, weil man das A einmal links, einmal rechts vom Gleichheitszeichen setzt. Man kann die ganze Operation beliebig oft wiederholen und so die Serie A = A = A usw. konstruieren. Wenn man die drei im Identitätsprinzip enthaltenen Momente explizit formuliert, so entfaltet sich das Identitätsprinzip in drei Subprinzipien: einfache Identität, iterative Identität, reflexive Identität. 

PRINZIP DER IDENTITÄT
- einfache Identität: A
- iterative Identität: A, A, A...
- reflexive Identität: A = A

Das Identitätsprinzip wurde, dass ich es wusste, von niemandem je geleugnet, denn wer es negiert setzt es immer wieder voraus. Die einfache und die iterative Identität sind notwendige Möglichkeitsbedingungen der tautologischen Aussage und sind darum immer und notwendig wahr. Das ist das erste Prinzip der Meta-Logik jeder beliebigen Sprache.

Das zweite Prinzip der Meta-Logik besagt, dass es ausser dem A, d.h. ausser der einfachen, der iterativen und der reflexen Identität, andere Bestimmungen in der Sprache gibt, wie z.B. B, C oder D, oder auch wie die Disjunktion, die Konjunktion, die Implikation usw., wie die logischen Variabeln. Es gibt auch in jeder Sprache den Sprechakt, der nicht ohne Selbstwiderspruch geleugnet werden kann. Dieses zweite Prinzip besagt nur, dass es ausser der tautologischen Aussage A = A noch etwas Anderes, eine Andersheit, eine Differenz gibt, die unter der Gestalt von semantischen Zeichen wie B, C, D..., oder auch unter der Form von syntaktischen Zeichen wie Implikation, Disjunktion usw., oder als Variablen errscheinen, wie auch als Sprechakte vorkommen, die ja die pragmatische Grundlage jedweder Sprache bilden. Ohne das gibt es kein Sprechen, keine Sprache, keine Möglichkeit der Argumentation. Das Prinzip der Differenz – so nenne ich es – drückt die notwendigen Möglichkeitsbedingungen jedweder Sprache aus, die über die blosse Tautologie hinausgehen. Ausserdem drückt es auf explizite Weise – und dies ist hier von Relevanz – die Notwendigkeit des Sprechaktes aus, der, obwohl er selbst in sich kontingent ist, eine notwendige Möglichkeitsbedingung von Sprache darstellt. Die logische Notwendigkeit der tautologischen Aussage, um in Sprache formuliert werden zu können, setzt immer einen Sprechtakt als ihre notwendige Möglichkeitsbedingung. Mit anderen Worten und mit grösserer Präzision: Die kontingente Existenz des Sprechaktes ist notwendige Möglichkeitsbedingung dafür, dass die logische Notwendigkeit der tautologischen Aussage in Sprache ausgedrückt werden kann. Die Notwendigkeit hängt hier von der kontingenten Faktizität ab; wie es übrigens der Fall ist in den ersten Axiomen der Modallogiken, worin die Möglichkeit und die Notwendigkeit von p aus der Faktizität von p hergeleitet werden. Das Prinzip der Differenz führt über die Identität, d.h. über die Tautologie hinaus eine Differenz ein, d. h. eine Andersheit, die nicht A, sondern B, oder C, oder D usw. ist.


PRINZIP DE DIFFERENZ
- Emergenz des Anderen: B, C, D..
- andere logisch-semantische Operatoren (Implikation, Disjunktion usw.)
- die logischen Variabeln
- der kontingente Sprechakt (Faktizität)

Es ist nun zu fragen, ob diese Differenz, d.h. dieses Andere, aus der Identität von A streng deduziert werden kann. Mit anderen Worten: B, das Differente, ist schon im A oder in der iterativen Serie A, A, A... oder in der Tautologie A = A implizit enthalten? Viele Entitäten können wohl aus der Tautologie hergeleitet werden, aber die Frage hier ist hart und entscheidend: Kann man jedwede im Universum existierende Differenz aus der Anfangs-Tautologie herleiten? Ist alles, die gesamte Logik, das ganze Universum, sind all die Dinge einschliesslich unser kontingenter Sprechakt in der Tautologie des Anfangs vorprogrammiert? Dass ich es wüsste, hat kein Logiker so etwas je behauptet. Um eine Logik aufzubauen, braucht man ausser der Tautologie andere Operatoren, andere Axiome, die Variabeln und die Sprechakte. Logiker sind aber scheinbar vorsichtiger als andere Philosophen. Bezüglich der Natur und des Universums gibt es ja in der Geschichte der Philosophie Autoren, die gedacht haben, aus einem oder zwei ersten Prinzipien alles herleiten zu können: Plato, Fichte, Schelling und vielleicht Hegel können hier als Vertreter der These genannt werden, dass alles im ersten Prinzip vorprogrammiert ist. Das ursprüngliche Ei, das am ersten Anfang steht, enthält demgemäss als implicatum all das, was sich dann daraus als explicatum auf notwendige Weise entwickelt wird. Die Philosophie sei – wird behauptet – die Wissenschaft, die die explicatio ab ovo darstellt, die alles, d.h. die gesamte Etwicklung des Universums aus dem ursprünglichen Ei, per plicam, jede einzelne Falte erklärend rekonstruiert. Das gesamte Universum mit all den Dingen, die in ihm enthalten sind, einschliesslich unsere Sprechakte, wäre demgemäss im ersten Prinzip vorprogrammiert; wer diese ursprüngliche Programmierung entziffern und lesen könnte, könnte auch alle Ereignisse vorausssagen, sowohl die, die gewesen sind, wie auch jene, die jetzt geschehen, und jene die in Zukunft geschehen werden. Wir haben hier einen radikalen Determinismus und einen totalen Necessitarismus vor uns, die jedwede Kontingenz aus dem System ausschliessen und auf diese Weise die freie Wahl unmöglich machen. Diese Denker negieren das Prinzip der Differenz, denn jede Difrferenz, die eventuell auftauchen würde, wäre sofort als eine weitere und notwendige Entwicklung des ersten Prinzips, d.h. der Identität, entlarvt. Ich wiederhole die Frage: Ist alles im ersten Prinzip vorprogrammiert? Oder gibt es Seiende, Entitäten, Dinge, die nicht vorprogrammiert sind, die darum eine wirkliche Differenz, eine wahre Andersheit sind, die die Faktizität von einem B bedeuten, etwas, das sich der Notwendigkeit des A = A entgegenstellt und aus dieser Identität nicht ableitbar ist? Wer behauptet, dass alles vorprogrammiert ist, braucht das Prinzip der Differenz nicht, aber er trägt die Last des Beweises: Er muss aus der Identität A = A wirklich alles, das gesamte Universum deduzieren. Herr Krug hat, wie wir wissen, von Fichte verlangt, er solle die Feder, mir der er eben schrieb, deduzieren. Ist so etwas möglich? Man hat es versucht; Versuche hat es gegeben, aber wir Philosophen sind heute darüber einig, dass sie alle fehlgegangen sind. Ausserdem haben wir heute das von Goedel bewiesene Theorem: Es wurde logisch exakt bewiesen, dass es in jedem axiomatisierten System wahre Aussagen gibt, die aber im Prinzip nicht ableitbar sind. Über Goedels Theorem hinaus gibt es noch die völlig unableitbare Faktizität des kontingenten Sprechaktes. Wenn man den kontingenten Sprechakt wirklich deduzieren könnte, so wäre er nicht mehr kontingent, sondern notwendig; Kontingenz und Ableitbarkeit schliessen einander logisch aus. Aus den dargelegten Gründen folgt, dass das Prinzip der Differenz wahr und gültig ist. Es wird hier als solches eingeführt, wobei ich den Sprechakt besonders hervorhebe: Zumindest mein Sprechakt in seiner kontingenten Faktizität ist nicht im Prinzip der Identität A = A vorprogrammiert, er ist nicht daraus ableitbar, er ist also nicht eine notwendige Folge eines notwendigen und Notwendigkeit stiftenden Prinzips.

In Anbetracht der radikalen Faktizität und der kontingenten Existenz meines Sprechaktes (und so vieler anderer Dinge), habe ich oben gefolgert, dass nicht alles in der ursprünglichen Identität vorprogrammiert ist, und dass deswegen das Prinzip der Differenz als gültig und wahr eingeführt werden muss. Dieses ermöglicht und erklärt, wieso es ausser dem A, noch ein B, ein C, ein D usw. gibt. Man möge hier besondere Aufmerksamkeit darauf lenken, dass die dem Sprechakt spezifische, eigene Faktizität nicht mehr etwas a priori, sondern etwas a posteriori ist. Eine Metalogik, die die Pragmatik berücksichtigt – und das ist heute schlicht und einfach notwendig -, führt Kontingenz und Faktizität in das System ein; somit kann das Syztem nicht mehr rein deduktiv a priori vorgehen. Wir haben damit, wie wir gegen Ende dieser Arbeit sehen werden, die tiefliegende Wurzel des Fehlers, der sowohl von Fichte wie auch von Schelling und von Hegel im Aufbau des Systems begangen worden ist. 
Die Differenz, d.h. die Emergenz des Neuen, schafft hier eine ganz neue Situation, die vom Kohärenzprinzip nun geregelt wird. Ausser der tautologischen Identät A = A, gibt es ein B, ein C, ein D usw., die nicht A sind und nicht im A vorprogrammiert sind. Zweierlei kann nun geschehen. Es kann erstens geschehen, dass ein Pol den anderen Pol als unmöglich entlarvt und auf diese Weise entfernt, d.h. es kann geschehen, dass der eine Pol wahr, der andere Pol falsch ist. Hierzu gelten die logischen Inferenzregeln, denen gemäss z. B., wenn eine Aussage A (affirmativ und universell) wahr ist, die entsprechende konträre Aussage E (negativ und universell) immer und notwendig falsch ist. In solchen Fällen wird die im Gegensatz zur Identität von A entstandene Differenz logisch eliminiert; die Emergenz des Neuen war in diesem Fall sehr flüchtig, denn die Kohärenzregeln – vorausgesetzt die Wahrheit von A – eliminieren rein logisch die Aussagen, sie sich dem A konträr (E) und kontradiktorisch (O) entgegensetzen. In diesem ersten Fall entsteht die Kohärenz durch die Eliminierung eines der beiden Pole, die in Widerspruch kommen. Man merkt aber unmittelbar, dass solch eine Form, Kohärenz herzustellen, zur Enstehung von Vielheit und Mannigfaltigkeit nicht viel beiträgt. Denn die Elimierung zerstört nur, sie baut nichts Neues auf.
Diese erste Form, die Kohärenz wiederherzustellen, ist die, die wir seit jeher aus der Logik kennen: Die Eliminierung einer der beiden Pole, die in Widerspruch zueinander stehen. Es gibt aber besonders in der Logik des Mittelalters eine zweite Form, die Kohärenz wiederherzustellen, die heute von der mathematischen Logik nicht mehr gebraucht wird; sie besteht in der Regel, dass, wenn immer notwendig, die nötigen Distiktionen gemacht werden müssen. Z.B., Sokrates ist grösser und kleiner als 1,60 m. Beide Aussagen können als wahr gelten, wenn die nötigen Distinktionen dazu gemacht werden. Sokrates, sofern er steht, ist grösser als 1,60 m, Sokrates, sofern er sitzt, ist kleiner als 1,60 m. In einem solchen Fall eliminiert das Kohärenzprinzip nicht einen der beiden Pole der Entgegensetzung, sondern beide zunächst entgegensetzte Pole werden behalten; dies ist möglich geworden, weil das logische Subjekt der Aussagen durch die Reduplikation, d.h. durch die Einführung der nötigen Distinktionen, ein gedoppeltes logisches Subjekt geworden ist, ohne dass dabei Sokrates in zwei Individuen zerfallen wäre. Hier ist nun etwas Wichtiges festzustellen: Diese zweite Art, entstehende Widersprüche zu lösen, ist ein deontisches Prinzip. Man soll die nötigen Distinktionen (due distictions) anbringen, man soll die Unterscheidungen machen, ohne die der Widerspruch aufbricht und die Rationalität zerstört. Das Prinzip des Nicht-Widerspruchs, wenn es logisch und notwendig einen der entgegensetzten Pole eliminiert, ist ein notwendiges Prinzip. Das Prinzip des Nicht-Widerspruchs in dieser zweiten Art der Anwendung, die universeller und auch konstruktiver ist, ist ein deontisches Prinzip: Es beinhaltet nicht eine logische Notwendigkeit, sondern ein Sollen. So haben wir hier schon in der Formulierung des Prinzips des Nicht-Widerspruchs die letzte Grundlegung und Rechtfertigung des Sollens. Lange vor der Ethik im eigentlichen traditionellen Sinn, schon hier in der Meta-Logik, haben wir die erste und auch letzte Begründung des Sollens, denn das Sollen ist der modale Operator des meta-logischen Prinzips des Kohärenz. Oder auch umgekehrt: Wir sind schon jetzt im Gebiet einer sehr erweiterten Ethik, denn der meta-logische Operator, den wir benützen, ist das Sollen. Der Übergang von deskriptiven und von logisch notwendigen Aussagen zu normativen Aussagen wurde schon hier in der Meta-Logik durch die Selbstbegründung des Prinzips des Nicht-Widerspruchs rationell gemacht und erklärt. Die Ethik ist somit nur eine Erweiterung der Meta-Logik.

PRINZIP DER KOHÄRENZ
- Eliminierung eines der entgegengesetzten Pole
- Einführung von anderen Aspekten durch die Erarbeitung der nötigen Distinktionen

Gibt es in der Meta-Logik andere Propositionen, andere Prinzipien? Sicherlich, aber hier brauchen wir sie nicht; sie werden eingeführt, wenn man weitere logische Subsysteme ausarbeitet. Zusammenfassend kann man demgemäss sagen, die drei ersten Prinzipien seien folgende:

Prinzipien der Meta-Logik
1. Identität
- einfache Identität A
- iterative Identität A, A, A...
- reflexive Identität A = A

2. Differenz
- das Neue, das Andere, das Differente B

3. Kohärenz
- Eliminierung eines der beiden Pole
- Erarbeitung und Einführung der nötigen Distinktionen


Die drei oben erarbeiteten Prinzipien der Meta-Logik bilden, wie wir später sehen werden, die Grundlage, auf der wir eine allgemeine Theorie des Sollens aufbauen. Das Sollen wird hier als der modale Operator des Prinzips des Nicht-Widerspruchs eingeführt und gerechtfertigt. Oder wie Apel so oft formuliert: Es geht hier um das Prinzip des zu vermeidenden Widerspruchs, d.h. des Widerspruchs, den wir vermeiden sollen. In Bezug auf die Positionen von Apel, Habermas, Höffe und so vielen anderen Ethikern der Gegenwart wird hier nun die Frage aufgeworden: Kann man von dieser Meta-Logik direkt und unmittelbar - d.h. ohne die Vermittlung einer Naturphilosophie – zu einer Allgemeinen Ethik übergehen? Die Diskursethik tut das. Vom performativen Selbstwiderspruch ausgehend, der das Prinzip D rechtfertigt, schreiten Habermas und Apel sofort dazu, das Prinzip U und damit die gesamte Allgemeine Ethik auszuarbeiten und zu begründen. Es gibt bei ihnen keine Vermittlung durch die Natur, es gibt für sie nichts, was sich zwischen der Meta-Logik und der Allgemeinen Ethik befindet. Der philosophische Diskurs beschänkt sich auf zwei Themengebiete, nämlich eine Sprachphilosophie und eine Allgemeine Ethik. Die Naturphilosophie ist ihnen – treuen Kantanhängern – entschwunden; das Studium der Natur wird den empirischen Wissenschaften, Physik und Biologie, übergeben. Man möge mir hier erlauben, einen anderen Weg einzuschlagen und den Übergang von der Meta-Logik zur Ethik durch die die Vermittlung einer Naturphilosophie zu machen. Im Systemprojekt, das ich hier vorschlage, kommt nach der Meta-Logik eine Meta-Physik und eine Meta-Biologie und erst danach die Allgemeine Ethik, oder, in Hegels Terminologie, die Philosophie des Geistes. Ich komme somit zu Hegels Reihenfolge zurück: Logik, Natur, Geist.


II. Meta-Physik

Der Übergang vom ersten Systemteil, von der Meta-Logik, zum zweiten Systemteil, zur Natur, ist von jeher eine intellektuelle Konstruktion, die äusserst komplex ist und schwerwiegende Konsequenken in sich trägt. Die letzte Kategorie der Logik bei Hegel, die absolute Idee, entlässt die Natur sozusagen frei aus sich heraus. In Hegels genauen Worten: „Das Übergehen ist hier vielmehr so zu fassen, dass die Idee sich selbst frei entlässt, ihrer absolut sicher und in sich ruhend“ . Die Natur ist also gemäss Hegels Worten etwas, das aus der Logik frei entstanden ist; Natur ist die Logik, die aus sich ausgegangen und nun entfremdet ausser sich selbst ist. Wir wissen aber, dass die innere Dynamik von Hegels System eine solche kontingente und freiheitsermöglichende Interpretation nicht zulässt. Freiheit ist bei Hegel ein notwendiger Prozess, denn die Kontingenz wird immer, obwohl auf graduelle Weise, aus dem System entfernt. Die Logik entlässt auf notwendige Weise die Natur aus sich und diese Natur räumt schon aus diesem Grund keinen Platz für die Kontingenz ein, für freie Auswahl und für echte Geschichtlichkeit, sodass das ganze System zu einer notwendigen deterministischen Konstruktion wird. Der Übergang von Logik zur Natur ist ein logisch notwendiger Fortgang, meint Hegel, sodass die Natur, weil so aus der Logik hervorgegangen, selbst ein notwendiges Produkt eines unaufhaltsamen Prozesses ist. Genau hier hat Hegel einen Fehler, einen grossen Fahler begangen, denn die Konsequenzen sind für die Struktur des Systems enorm gross. Wenn dieser Übergang notwendig ist , so schliesst sich das System in sich selbst ein, das System wird in sich notwendig und schliesst so die Kontingenz und die Freiheit im modernen Sinne des Wortes aus. Hegel hat sich geirrt, ja, was aber kann man hier machen? Hier fragen wir nun: Ist es überhaupt möglich, diesen Übergang auf eine andere Weise zu machen? Kann man diesen Übergang so konstruieren, dass die Natur nicht selbst zu etwas Notwendigem wird? Wie kann man diesen Übergang so machen, dass das System offen bleibt, offen für die Kontingenz und für Akte der freien Auswahl, offen für den Vollzug von Freiheit und Verantwortlichkeit im heutigen Sinne des Wortes? Vollbewusst der Schwierigkeiten, die dem Übergang von Logik zur Natur von jeher anhaften, machen wir einen Schritt zurück und versuchen wir, von den drei Prinzipien der Meta-Logik ausgehend, das Argument aufs Neue aufzubauen.

Prinzipien, um echte Prinzipien zu sein, müssen universell sein, d.h. allgemeingültig. Um allgemeingültig zu sein, müssen sie von allen Dingen und Entitäten gelten, müssen sie auf absolut alles und deshalb auch auf sich selbst anwendbar sein. Sind die in der Meta-Logik oben erarbeiteten Prinzipien wirklich allgemeingültig? Die Antwort ist entschieden positiv, sofern sie sich auf das Prinzip der Identität und das Prinzip der Kohärenz bezieht. Die Identität ist immer identisch mit sich selbst; die Kohärenz ist immer kohärent mit sich selbst. Das erste und das dritte Prinzip sind, wie ersichtlich, selbstanwendbar und können so als allgemeingültig behauptet werden. Gilt aber dasselbe vom zweiten Prinzip? Oder entsteht hier eine logische Antinomie? Das Differenzprinzip, das etwas Differentes entstehen lässt, etwas, das in der Identität nicht schon vorprogrammiert wäre, ist dieses Prinzip der Differenz different von sich selbst? Ist Differenz different von sich selbst? Wenn sie different von sich selbst ist, ist sie nicht Differenz, sondern Identität. Wenn sie aber Identität ist, ist sie nicht mehr Differenz, sondern Identität. Dies ist die erste Seite der Antinomie. Die zweite Seite ist folgende: Wenn die Differenz aber wirklich identisch mit sich selbst ist, ist sie gerade darum Differenz und muss als solche gesehen und behauptet werden. Somit ist Differenz eben Differenz und nicht Identität. Das ist die zweite Seite der Antinomie. Man sieht hier, dass das Differenzprinzip, wenn auf sich selbst angewandt, zu einer strikten logischen Antinomie wird . Wenn different, ist es identisch; wenn identisch, ist es different. Wie in allen strikten Antinomien werden wir auch hier von einer Proposition zur anderen hinübergeworfen, wir oszillieren zwischen beiden Propositionen, ohne dass es dabei ein Ende gibt. Wir sind in der Bewegung der Antinomie von einer ungeheueren logischen Kraft bewegt, die uns nicht erlaubt, je zur Ruhe zu kommen. Dies ist das, was Hegel die ungeheuere Kraft der Negation genannt hat.
Wir haben wir im Differenzprinzip genau dasselbe Problem, das Frege und Bertrand Russell mit der leeren Klasse hatten; wir haben hier die unaufhörliche Bewegung, die uns zwischen Wahrheit und Falscheit, von einem Pol zum anderen Pol der Antinomie gehen lässt, ohne dass dies je zu einem Ende kommt. Eigentlich müssten wir uns nicht darüber wundern. Denn jedes selbstbezügliche Prinzip, wenn negativ, wird zu einer Antinomie. Was wir nicht tun können, ohne die Rationalität zu verlieren, ist, im Hin und Her der Antinomie zu verbleiben. Seit Bertrand Russell wissen wir, dass die Lösung für die Antinomien in der Unterscheidung und Einführung von Sprachebenen besteht; wenn wir verschiedene Sprachebenen unterscheiden und erzeugen, können wir die Antinomie auflösen. Hier in unserem Fall, d. h. im Differenzprinzip, ist das Problem dasselbe, und die Lösung scheint dieselbe zu sein. Auch hier müssen wir neue Sprachebenen erzeugen und unterscheiden. Die Differenz ist notwendig und identisch mit sich selbst, sofern sie ein principium principians der Meta-Logik ist, aber sie ist kontingent und different von sich selbst, sofern sie ein principium principiatum ist. Oder in der Terminologie von Spinoza: Die Differenz ist notwendig (und identisch mit sich selbst) als natura naturans, sie ist kontingent (und diferent von sich sellbst) als natura naturata. Die gewaltige Bewegung, die allen grossen Antinomien inne ist, ist auch hier im Differenzprinzip vorhanden. Es wird hier eine ungeuere metalogische Kraft entbunden, eine ursprüngliche und machtvolle Bewegung, die in einem ersten Augenblick alles zum Zusammenbruch zu führen scheint, die aber nachher, wenn man die Antinomie durch die Einführung von verschienen Ebenen auflöst, sich als der ursprüngliche Motor der Entwicklung der dialektischen Bewegung erweist. Denn die vom Differenzprinzip erzeugte Bewegung lässt die verschiedenen Ebenen entstehen, d. h. die Differenz verschiedener Aspekte. Auf einer ersten Ebene ist das Differenzprinzip identisch mit sich selbst und notwendig; in einer zweiten Ebene ist es, trozt dieser Identität auf der ersten Ebene, different von sich selbst. Die Erzeugung der Differenz, die hier zum Vorschein kommt, entspringt aus zwei Momenten: aus der Antinomie und aus der Auflösung der Antinomie, die dem Differenzprinzip inne ist. Die kraftvolle Bewegung von einem Pol zum anderen ist es, die die Differenz erzeugt, die, obwohl identisch mit sich selbst, troztdem echte Differenz bleibt. Dies ist die ursprüngliche Differenz, die zuerst eine strikte Antinomie ist und dann zur Auflösung der Antinomie wird.
Eine Frage zwingt sich hier auf: Wann ist die Differenz bloss eine Antinomie? Wann ist sie die Auflösung der Antinomie? Die Antwort darauf ist klar, sicher und entschieden. Wenn die Vielheit von Ebenen oder Aspekten erzeugt und eingeführt wird, dann ist die Antinomie aufgelöst; dies wissen wir seit Bertrand Russell. Wenn aber die Vielheit von Ebenen nicht erzeugt wird, dann gibt es keine Lösung, und die Antinomie bleibt als solche da. In der Antinomie verbleiben ist aber nicht bloss unbequem, sondern absolut irrational. Man kann nicht denken, man kann nicht sprechen. In unserem realen Diskurs sind wir aber immer schon jenseits der Antinomie, wir denken und sprechen, wir wissen und anerkennen die Vielheit, d. h. die Differenz, die unsere Sprechakte charakterisiert und als kontingent und historisch bestimmt. Die Differenz ist nicht bloss ein erstes Prinzip, sondern auch ein real existierendes Faktum, sie existiert und west als eine Wirklichkeit, von der ausgehend wir unsere gesamte Meta-Logik aufgebaut haben. Diese Wirklichkeit ist das Faktum, dessen notwendige Möglichkeitsbedingungen wir in der Meta-Logik als Prinzipien erarbeitet haben. Es folgt daraus aber, dass die gesamte Meta-Logik seit jeher eine Natur voraussetzt, nämlich die reale und kontingente Natur, wie sie in unseren Sprechakten vorhanden ist . Die logisch semantische und logisch pragmatische Struktur der drei Prinzipien der Meta-Logik führt uns dazu, wegen des Vorhandenseins einer ursprünglichen Antinomie, die Existenz einer Natur voraussetzen zu müssen, die anders als die Meta-Logik in sich kontingent und geschichtlich ist. Die ungeuere Kraft des dialektischen Pulsierens führt uns hier nicht zu einer Explosion, sondern zu einer Lösung: Die Meta-Logik, „ihrer absolut sicher und in sich ruhend“, entlässt sich „frei“ als die Natur. Die Natur, die kontingent und geschichtlich ist wie unsere Sprechakte, existiert und west als etwas, das verschieden von der Meta-Logik ist. Der erste Systemteil hat also den zweiten Systemteil erzeugt, aber dieser Übergang ist nicht ein notwendiger Prozess im Sinne Hegels. Die Natur ist hier kontingent und räumt somit den Platz ein, wo sich Freiheit und Verantwortlichkeit entwickeln können. Natur erscheint hier in einem doppelten Aspekt: sie ist notwendig, sofern sie notwendige Möglichkeitsbedingung unseres Denkens ist; sie ist aber kontingent, d. h. nicht notwendig, sofern sie als kontingentes Faktum existiert. Daraus folgt aber etwas, das sehr wichtig für unser weiteres Philosophieren ist: Diese Natur, da sie kontingent ist, kann nicht logisch a priori deduziert werden. Dieselbe logisch semantische und logisch pragmatische Analyse, die uns zu den drei Prinzipien der Meta-Logik geführt hat, führt uns jetzt zu einer Natur, die sich kontingent und geschichtlich entwickelt, zu einer Natur, die sich als Naturgeschichte entfaltet. Das analytische Erkennen a priori räumt jetzt den Platz ein für ein Erkennen, das auch a posteriori vorgeht. Die Naturphilosophie ist also – im Gegensatz zu dem, was Schelling und Hegel meinten – ein Fach, in dem das a priori nicht allein herrscht; nein, das a priori verkettet sich darin mit dem a posteriori, und bildet so ein kontingentes aber trotzdem rationales Gewebe. Welche sind nun, wenn man dies voraussetzt, die Prinzipien einer solchen Naturphilosophie? Welche Prinzipien regeln ihre kontingente und geschichtliche Entwicklung?
Wenn der zweite Teil des Systems aus dem ersten Teil entstanden und erarbeitet worden ist; wenn die ersten Prinzipien wirklich allgemeingültige Sätze sind, die alle Dinge bestimmen, dann muss auch die Natur von den Prinzipien der Identität, Differenz und Kohärenz bestimmt werden. Die Prinzipien müssen dieselben sein; dies ist a priori. Ist das auch der Fall? Kann man a posteriori dasselbe behaupten? Wenn wir auf die Natur a posteriori zurückschauen, stellen wir fest, dass es so ist. Wir können darum von der drei meta-logischen Prinzipien gleichsam ohne Übergang, die Meta-Biologie konstruieren. Seit Charles Darwin behaupten alle Biologen mit Recht, dass die Natur sich gemäss gewissen Prinzipien entwickelt und entfaltet. Welche sind diese Prinzipien einer kontingent geschichtlichen Evolution? Wenn wir mit unserer Annahme Recht haben, müssen diese Prinzipien genau dieselbe sein, die wir in der Meta-Logik erarbeitet und formuliert haben. Setzen wir also die Prinzipien der Meta-Logik und die Prinzipien einer Meta-Biologie, wie sie sich die Biologen denken, Seite an Seite. Daraus ergibt sich folgendes Bild von Entsprechungen:

META-BIOLOGIE

Prinzipien der Meta-Logik Prinzipien der Meta-Biologie
1. Identität
- einfache Identität A Individuum
- iterative Identität A, A, A... Reproduktion, Replikation
- reflexive Identität A = A Gattung
2. Differenz
- das Neue, das Differente Emergenz des Neuen
Mutation durch Zufall
3. Kohärenz
- Eliminierung eines Poles Tod = natürliche Auswahl
- Nötige Unterscheidungen Anpassung = natürliche Auswahl

Der Übergang der Meta-Logik zu den verschiedenen formalen Logiken wie auch zur Mathematik wird durch die graduelle Einführung von neuen logischen Axiomen a priori gemacht; diese kommen dann zu den drei ersten vorhin erarbeiteten metalogischen Prinzipien dazu. Formale Logik und Mathematik sind Wissenschaften, die strikt a priori vorgehen; in ihnen kommen weder Faktizität noch kontingente Existenz vor. In den formalen Wissenschaften ist alles, was sein kann, auch notwendig. Hier gibt es nur die zwei klassischen Modeloperatoren: Möglichkeit und Notwendigkeit. Was möglich ist, ist auf positive Weise notwendig; was nicht möglich ist, d. h. das Unmögliche, ist auch notwendig, diesmal aber auf negative Weise. Der Übergang zur Natur, wie wir es gesehen haben, wird nicht so gemacht. Die antinomische Bewegung, die aus dem zweiten grossen Prinzip entsteht, wird durch die Einführung der faktischen Vielheit von verschiedenen Ebenen aufgelöst und überwunden. Die reale Faktizität, d.h. die kontingente Existenz von verschiedenen Ebenen ist der Grund, der es möglich macht, dass die drei ersten Prinzipien nicht leer bleiben, dass sie nicht bloss im Vakuum drehen als eine formale Maschinerie, in welcher die Vielheit aus der Identität entsteht, um dann sofort wieder in sie hinein zu verschwinden. Dies war der Fehler, den Hegel begangen hat und den wir alle heute vermeiden wollen. Die Faktizität der Sprechaktes, der als etwas Kontingentes existiert, ist das modale Medium, in dem die philosophische Vermittlung zur Natur gemacht wird. So bestimmt und verstanden kann Naturphilosophie nicht eine formale Wissenschaft wie Logik und Mathematik sein, die nur a priori vorgeht. Da sie mit kontingenten Fakten umgeht, die sowohl sein können wie auch nicht sein können, die aber de facto sind, muss die Philosophie der Natur eine Wissenschaft sein, die teilweise a priori, teilweise a posteriori arbeitet, und in der die Enstehung und die Entwicklung der kontingenten Dinge als eine Geschichte der Natur verstanden und begriffen werden. Der Entwicklungsgang der Dinge in der Natur seit seinem ersten Anfang – ab ovo – bis zur Mannigfaltigkeit, die wir in der von uns bewohnten Welt kennen, ist ein Evolutionsprozess, der seit seinem ersten Beginn von gewissen Gezetzen bestimmt und gelenkt wird. Welche sind diese Gesetze? Wenn wir Recht mit dem haben, was oben behauptet wurde, müssen diese Prinzipien notwendig dieselbe sein, nämlich die Prinzipien der Identität, der Differenz und der Kohärenz. Und es ist wirklich so. Die Struktur der Meta-Biologie entspricht genau der der Meta-Logik. Was die Biologen heute Darwinismus nennen, d. h. die allgemeine Evolutionstheorie, ist in der Tat eine alte neuplatonische Theorie über die explicatio mundi, eine Lehre über die Entwicklung aller Dinge aus einem ursprünglichen Ei (explicatio ab ovo). 
In der Meta-Biologie erklärt und begründet das Identitätsprinzip das Individuum; in der Form des Subprinzips der Iteration bestimmt es tiefwirkend die gesamte Biologie. Die Biolgie studiert und erklärt die Lebewesen; Lebewesen sind die, die die Fähigkeit besitzen, sich zu reproduzieren. Reproduktion in der Makrobiologie und Replikation in der Zellbiologie sind zentrale Merkmale der biologischen Wissenschaften. In unserem Jahrhundert haben die von David Ruelle und Robert May erarbeitete deterministische Chaostheorie und die von Mandelbrot und vielen anderen ausgearbeitete Fraktalgeometrie neue Räume für den Fortschritt der Wissenschaft eröffnet . Wir möchten in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass sowohl die Chaostheorie wie die Konstruktion von Fraktalfiguren als ihren harten Kern immer und notwendig iterative Rechnungsprozesse haben. Die Mannigfaltigkeit der Formen in der lebenden Natur, die vom deterministischen Chaos bestimmt wird, und sich in Fraktalfiguren ausdrückt, ist nichts anderes als die Konkretisierung von iterativen Prozessen in der Natur. Auch die Theorie der Selbstorganisation, die heuzutage so wichtig geworden ist, gründet im Subprinzip der iterativen Identität. Die zirkuläre Bewegung der Selbstorganisation, die philosophisch eine Form der Selbstbestimmung, d. h. der causa sui ist, ist eine Konkretisierung der Identität, die sich selbst organisiert und als sich selbst wiederholt. – Diese Prozesse aber, um von Dauer zu sein, müssen durch die natürliche Auswahl gleichsam gefiltert werden: Hier kommt nun das Kohärenzprinzip dazu.
Kann man die Meta-Biologie zu einer Meta-Physik erweitern? Die Erarbeitung einer Meta-Physik steht heute vor fast unüberwindlichen Schwierigkeiten, da den Physikern die grosse synthetische Theorie, wir wir wissen, nocht gelungen ist, d.h. ein Modell, in dem die klasissche Mechanik, die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik als miteinander kompatibel und als komplementäre Momente einer einheitlichen Lehre verstanden und dargestellt werden. Aber viele Bemühungen weisen in diese Richtung und diese Synthese von Relativitätstheorie und Quantenechanik, obwohl noch nicht erreicht, leuchtet als Ziel am Horizont der Wissenschaft. Sollten die oben dargestellten Thesen über Meta-Logik und Meta-Biologie richtig sein, dann müssen die Gesetze einer zukünftigen Meta-Physik dieselben sein, nämlich Identität, Differenz und Kohärenz. Die klassische Mechanik und die Relativitätstheorie in ihren Grundbegriffen weisen auf den notwendigen Kern der Identität und der harten Kohärenz. Die Ungewissheiten und Unbestimmtheiten, die Logik der Wahrscheinlichkeitsrechnung, die aleatorischen Variabeln, das Unbestimmte und Diffuse gewisser chaotischer Situationen, die alle typisch sind für die Quantenmechanik, weisen auf das Prinzip der Differenz.
Die Mathematik des XXI Jahrhunderts, schreibt David Munford in einem Aufsatz, der die auf eine Lösung drängenden mathematischen Probleme der Gegenwart aufzählt – in einem von bekannten Autoren wie M. A. Tiya, V. Arnold, P.Lax und B. Mazur herausgegeben Buch – wird wahrscheinlich die klassische Logik, die heute den harten Kern der Mathematik bildet, durch eine „weiche Logik“ (soft Logic) ersetzen, d.h. durch eine Logik der Wahrscheinlichkeit, die verschiedene Grade von Freiheit bzw. von Kontingenz zulässt. Dies wird dann in naher Zukunft erlauben, meint W. Wilton im zitierten Buch, dass man eine M-Theorie ausarbeitet (M von Mutter, Mysterium oder Magie), in der dann die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik versöhnt werden; in noch spezifischerer Weise: die String Theories und die Superstring Theories. Das Vorhandensein und die ständige Wiederholng derselben Muster und derselben Grundgesetze in allen grossen Theorien der Physik und der Biologie führen heute immer mehr Wissenschaftler dazu, das zu suchen, das E. Wilson in einem nicht genug zu preisenden Buch consilience, d.h. Kohärenz nennt. Es mögen hier noch, ausser Wilson und Witten, Ilia Prigogine , Steven Kaufmann , Richard Dawkins , John D. Barrow , David Deutsch und so viele andere zitiert werden. Diese auffallende Konvergenz von Gesichtspunkten und diese Kohärenz von Strukturen und Gundgesetzen – dies der Sinn des altenglischen Wortes consilience – weisen auf eine allgemeine Theorie der Natur, die, wenn die oben diskutierten Thesen von Meta-Logik und Meta-Biologie richtig sind, Identität, Differenz und Kohärenz als ihre Grundprinzipien haben wird.


III. Allgemeine Ethik

Der Übergang von der Naturphilosophie zu der Philosophie des Geistes, d.h. zu einer Allgemeinen Ethik, vollzieht sich gleichsam von selbst und ohne besondere begriffliche Anstrengung. Wenn man die ersten drei Prinzipien von der metalogischen Terminologie, in der sie ursprünglich formuliert worden sind, in die Terminologie der Ethik übersetzt, so ergibt sich folgendes Bild:

Prinzipien der Meta-Logik Prinzipien der Meta-Biologie Prinzipien der Meta-Ethik
4. Identität
- einfache Identität A Individuum Mensch
- iterative Identität A, A, A... Reproduktion, Replikation Familie 
- reflexive Identität A = A Gattung Gesellschaft, Kultur
5. Differenz
- das Neue, das Differente Emergenz des Neuen Kriativität des freien Aktes,
Mutation durch Zufall Erfindung, Kunst
6. Kohärenz
- Eliminierung eines Poles Tod = natürliche Auswahl das Übel – wenn Inkohärenz
- Nötige Unterscheidungen Anpassung = natürliche Auswahl das Gute – wenn Kohärenz

Das Sollen wurde in seiner Grundstruktur schon in der Meta-Logik eingeführt und gerechtfertigt als die einzige wirklich allgemeingültige Formulierung des Prinzips des Nicht-Widerspruchs, d. h. des Prinzips des zu vermeidenden Widerspruchs. Das Sollen ist schon in der Meta-Logik als Gesetz vorhanden und sagt, was sowohl analytische wie auch dialektische Philosophen tun sollen, wenn ein Widerspruch auftaucht. Dasselbe Prinzip erscheint in der Natur als das Gesetz der natürlichen Auswahl wieder, das nicht kohärente Seiende eliminiert oder sie dazu bringt, die nötigen Distiktionen zu machen, in diesem Fall die nötigen Anpassungen vozunehmen. In der Allgemeinen Ethik kehrt dieses Prinzip noch einmal als jenes Sollen wieder, das uns sagt, was wir in unserem Handeln tun und was wir nicht tun sollen. Das ethische Gute und das ethische Üble sind, was sie sind, wegen der Kohärenz oder Nicht-Kohärenz des ethischen Ich mit sich selbst, mit dem anderen Ich, mit der weiteren Umwelt, mit dem Universum. Das spezifische Merkmal des moralischen Guten ist demgemäss die universelle Kohärenz. Wenn eine Handlungsregel universalisiert werden kann, d.h. wenn sie in universeller Kohärenz steht, dann tun wir das ethisch Gute und nicht das ethische Üble. Kant hatte Recht. Apel und Habermas haben Recht: Die Universalisierung ist das Kriterium der Moralität. Und es ist notwendig, dass diese Kohärenz in einem realen und konkreten Diskurs zu Tage trete, denn, da die Menschen kontingent und geschichtlich sind, muss die Kohärenz auch in dieser historisch konkreten Wirklichkeit realisiert werden. Aus diesem Grund soll es den realen Diskurs geben, in dem die ideelle Diskurs-Situation antezipiert wird und in dem wir den Konsenz suchen. Auch hier haben Apel und Habermas Recht.
Im Gegensatz zu den eben genannten Autoren aber haben wir eine Ethik entworfen, die auf einer Naturphilosophie gründet, die ihrerseits in einer Meta-Logik ihre Fundierung und Rechtfertigung hat. Dies ist auch der Grund, warum wir hier ausser den Prinzipien U und D nicht ein Prinzip G (Gründe) brauchen, denn das Sollen geht in der vorgeschlagen Theorie, aus dem Inneren den Natur heraus, schon inhaltlich bestimmt hervor. Es geschieht hier eine Überwindung und eine Versöhnung von Naturalismus und Kontraktualismus. Familie, Gesellschaft und Staat sind nicht bloss durch die Natur, sondern auch durch einen Vertrag bestimmt. Der Vertrag entsteht hier aus dem Inneren der Natur heraus und bestimmt die Natur weiter. Das ist aber nicht eine naturalistic fallacy, denn das Sollen stammt nicht bloss aus der Natur, sondern aus der Meta-Logik, in der es letztlich gründet. Die vorgeschlagene Theorie macht auf diese Weise den Gebrauch eines dritten Prinzips G (Gründe) überflüssig und bietet dazu noch zwei Vorteile gegenüber der Diskursethik: die Regeln für ein gutes Leben und die theoretische Grundlage einer umfassenden Ekologie sind darin grundgelegt.
Diese Erörterungen abschliessend sei mir erlaubt, Folgendes zu sagen: Apel und Habermas haben völlig Recht mit dem, was sie positiv sagen, sie haben aber Unrecht, so scheint es mir, wenn sie die Naturphilosophie aus dem philosophischen Denkraum auschliessen. Die Kontroverse über das Vorhandensein eines dritten Prinzips, G, ausser den Prinzipien D un U, weisen auf dieses Defizit. Die unüberwindlichen Schwierigkeiten, die sie haben, Regeln des guten Lebens zu formulieren und zu rechtfertigen, sind ein Beweis dafür. Die hier vorgeschlagene Lösung, obwohl in vielen Punkten der Diskursethik ähnlich, besteht in einer Transformation des neuplatonischen Systems von Spinoza, Fichte, Schelling und Hegel. Das neuplatonische System wurde aber schon in der Meta-Logik korrigiert und geändert durch die Einführung der Faktizität, und korrelativ zu ihr, durch die Einführung des Sollens als Prinzip der Kohärenz. Das hier vorgeschlagene System ist klar monistisch. Man fragt sich hier: Materialismus oder Idealismus? Obwohl einige Materialisten sich mit vielen oder mit fast allen hier vorgebrachten Ideen einverstanden erklären könnten, ziehe ich es persönlich vor, das System als Idealismus zu bezeichnen. Denn vor der Natur gibt es und gilt eine Meta-Logik. Die drei ersten Prinzipien, Identität, Differenz und Kohärenz weisen auf eine Idealität, auf ein Sollen, und nicht bloss auf die empirische Welt, die da faktisch ist. Es handelt sich hier also sicher nicht um das, was man empirischen Materialismus nennt. Wir haben hier eine idealistische Philosophie vorgeschlagen, einen Idealismus, der zwar korrigiert worden ist, ja, der „aggiornato“ und gegenwartsbewusst wurde, der Geschichtlichkeit beinhaltet, der Platz für Freiheit und Verantwortung einräumt, der als System teilweise a priori, teilweise a posteriori aufgebaut wird. Der Einwand bezüglich des Widerspruchs als Motor der Dialektik wurde von mir anderswo ausführlich behandelt und, meine ich, entkräftet; der Einwand des Necessitarismus des Systems, das als solches keinen Platz für die Ethik einräumt, wurde weiter oben aufgelöst. Faktizität und Sollen wurden in der Meta-Logik verankert und gerechtfertigt, und dies hat es uns in der Folge erlaubt, die Grundlinien einer Meta-Physik zu ziehen, spezifisch einer Meta-Biologie, wie auch einer Allgemeinen Ethik, d.h. einer Philosophie des Geistes. Ich habe versucht, ein dialektisches System zu skizzieren, habe aber dabei bloss die begrifflichen Werzeuge der analytischen Methode benützt. Eine Analyse des Sollens? Ja, sowohl das, wie auch eine Dialektik des Sollens. Dialektik und Analytik sind hier komplementär und fliessen in eine einzige Methode konstituierend ein.